Sportverein Forelle Steyr ein halbes Jahrhundert im Rückblick

Von Wolfram Steinwendtner

Zwei Jahre nach Kriegsende - 1947 - war Steyr noch immer eine gezeichnete Stadt. Viele Menschen waren obdachlos, viele Gebäude, vor allem die Industrieanlagen, waren noch zerstört. Bei Zwischenbrücken wurde der Kriegsschutt in die Enns gekippt, wodurch ein immer länger werdender Damm quer zur Strömung entstand und nur eine kleine Durchfahrt offenließ. Erst nach vielen Jahren war der letzte Stein von der Enns weggeschwemmt. An allen möglichen Stellen gab es Bombentrichter, die uns Kindern im Winter als Loopingschanzen dienten und sich erst allmählich mit Schutt und Dreck füllten. Der Wiederaufbau war in vollem Gange. Es gab wenig und Schlechtes zu essen, im Winter gab es kaum Heizmaterial. Es fehlte überall am Nötigsten, aber alle waren von einer Euphorie getragen, die auf eine bessere Zukunft gerichtet war. Rohstoffe zu besorgen war sehr schwierig, ein Auto zum Beispiel, wie es der erste Präsident der Forelle Steyr, Zentraldirektor Walter Glöckel, zur Verfügung hatte, war höchster Luxus.

Als Wassersportler konnte man von neuen Booten nur träumen, nur gelegentlich fanden sich alte Faltboote oder Fetzenkajaks, bestehend aus einem Lattengerüst, über das eine mit Ölfarbe getränkte Leinwand gespannt war. Ein fürchterlich schweres Ding, das wir noch bis in die frühen 50er Jahre hinein fuhren.

In diese Zeit hinein gründeten Männer wie Rudolf Zagler, Emil Pickl, Karl Hietler, Leopold Kubisch und einige andere den Kajak und Segelsportverein Forelle Steyr neu. Denn schon 1923 gab es eine Kajaksektion von Vorwärts Steyr, die Forelle hieß und deren Sektionsleiter jener Rudolf Zagler war, der auch 1947 einer der Männer der ersten Stunde war. Und diesmal sollte dem Club ein längeres, von Krieg und Not unbeeinträchtigtes Leben bevorstehen.

Das erste Bootshaus war jenes Gebäude, das am Paddlerweg direkt im Stadtgebiet an der Enns steht und heute dem ATSV Steyr als Heimstätte dient. Noch im Winter 1947/48 wurde in der Segelsektion eine Selbstbauaktion eingeleitet, deren Resultat erstaunliche 12 Boote war. 1948 konnte eine Baracke als Bootsunterkunft auf jenem Grund am Staninger Stausee aufgestellt werden, der 50 Jahre später endlich unser Eigentum wurde und heute Paddlern, Tennisspielern und Seglern wie auch dem Camping zur Verfügung steht.

Die Enns war damals zwar bereits aufgestaut, doch noch mit einer geringeren Stauwurzel, weswegen die Strömung erst weit unter unserem Bootshaus in den Stau überging.

1949 erschienen erstmals hektographierte Vereinsnachrichten, die eine wertvolle Quelle für meine Recherchen sind, aber auch eine Denkstütze, denn ab diesem Jahr war ich 14-jähriger Bub stolzes Mitglied des Vereins. Da wird zum Beispiel von der Faltbootselbstbauaktion berichtet, für die die Vereinsleitung Holz für immerhin 15 Boote beschaffen konnte. Zu bezahlen war dieses Holz allerdings durch die Mitglieder selbst. Da kann man auch lesen, daß dem Leopold Kubisch ein Sohn geboren wurde, dem man eine gute Zukunft im Sport wünschte und der heute als Obmann die Geschicke des Vereins in einer leichteren Zeit, aber mit größeren, paradoxerweise aus der Wohlstandsgesellschaft resultierenden, Problemen leitet. Da findet sich ein Aufruf des Obmanns Emil Pickl zum Ausbau der Sportstätte am Stausee, die Bekanntgabe, daß von jedem 40 Arbeitsstunden dem Verein zur Verfügung gestellt werden mögen und, Zitat:

"jeder halte sich stets in Erinnerung, daß wir nicht für uns bauen, sondern auch für die Zukunft. Die Jugend soll es schöner hoben, als wir es gehabt haben."

In diesem Jahr 1949 - um die Situation noch besser zu illustrieren - war nach härtesten Gewerkschaftsverhandlungen die 48-Stunden-Woche eingeführt worden, was Pickl als großen Freizeitgewinn herausstellte. Auf dem Gelände, das damals, bis auf unsere Baracke und das etwas weiter entferntere Bauernhaus Nusime, eine völlig unverbaute, direkt an den Münichholzwald angrenzende Aulandschaft war, stand ein verfallener Schotterturm. Er wurde zum Kern unseres neuen Vereinsgebäudes.

1949 war aber auch sportlich ein großes Jahr, denn der Steyrer Othmar Eiterer wurde in Genf der erste Kajak-Slalom-Weltmeister der Geschichte.
Dieser Erfolg brachte dem Verein aber auch die schwierige und ehrenvolle Aufgabe, die zweiten Slalom-Weltmeisterschaften im Jahre 1951 in Steyr zu veranstalten.

Um vor allem den Jüngeren die damalige Situation zu schildern, muß erwähnt werden, daß Osterreich in dieser Zeit ein besetztes Land war. Bereits einige Kilometer unter unserem Bootshaus verlief die Grenze zu den Russen. Haidershofen oder Behamberg zum Beispiel waren nur mit dem Identitätsausweis zu erreichen. Wenn wir zu Rennen nach Wien fuhren (die Boote per Bahn, wir mit einem Bus oder Lastwagen der Steyrer-Werke), passierten wir mehrere Grenzkontrollen, vorbei an angsteinflößenden, russischen Soldaten, die, Gewehr bei Fuß, an den schweren Grenzbalken standen.

Das im Jahre 1949 gesetzte Ziel, eine neue Sportanlage, auch in Zusammenhang mit der Weltmeisterschaft 1951, zu haben, wurde erreicht. Leider ist nirgendwo verzeichnet, mit welcher Begeisterung und welchem Einsatz ungezählter Freiwilliger das möglich wurde. Namen wie Pickl, Hietler, Glöckel, Oberreiter, Rittsteiger, Schreiner, bleiben, stellvertretend für die vielen anderen, in Erinnerung.
Die Wassersportanlage wurde eine für damalige Verhältnisse einmalige Stätte. In der Folge wurde sie zu einem Treffpunkt der gesamten Steyrer Jugend, war doch eine Freilufttanzfläche mitangelegt und ein Gastbetrieb an einen Pächter vergeben worden. Jahrelang mußten und durften wir Jungen die Platten auflegen, den heutigen DJs gleich, wenn auch ohne deren technische Hilfsmitteln. Immerhin gab es schon bald einen 10-Platten-Wechsler.

Am 28. und 29. Juli war es soweit: Steyr bescherte - wie die deutsche Fachzeitschrift Kanu-Sport Nachrichten am 15. August in Heft 16 berichtet - den Teilnehmern unvergeßliche Tage. Organisatorisch hatten die Funktionäre der Forelle bei der WM mit dem Mangel an Unterkünften zu kämpfen. Der erste Tag endete mit einem Abbruch, weil die hochwasserführende Steyr von den ersten 16 Startern 14 zum Kentern brachte. Der zweite Tag hingegen brachte vor einem begeistert mitgehenden Publikum (am steilen Abhang der Christkindlleite zum Beispiel und an den Ufern der Steyr beim Kugelfang im Wehrgraben saßen und standen tausende Menschen) einen fairen und für die Österreicher ungeheuren sportlichen Erfolg:

Gerti Pertlwieser von der Forelle Steyr wurde Weltmeisterin in der Einzelwertung und mit der Mannschaft (Fritzi Schwingl, Hedi Pillwein).

Bei den Männern belegten die Österreicher Hans Frühwirth, Rudolf Pillwein, Rudolf Sausgruber, Othmar Eiterer, Eduard Haider und Franz Wolfinger die ersten 6 Plätze und Othmar Eiterer wurde mit der Mannschaft (Frühwirth, Pillwein) zum zweiten Mal Weltmeister.

Während sich damals in der Segelsektion unter Kubisch Vater naturgemäß ältere Mitglieder hauptsächlich dem Freizeitsport widmeten, waren in der Kajaksektion bis auf Fritz Rittsteiger ausschließlich Jugendliche und Junioren, die sich fast fanatisch dem Wettbewerb stellten. Fritz Rittsteiger, ein Wiener, der selbst vielfacher Staatsmeister war und dem der Krieg seine beste Zeit genommen hatte, trainierte die Forelle-Paddler nach den modernsten Methoden.

Herbert Schreiner, der schon 1946 zu paddeln begonnen hatte, kam schon 1947 zur Forelle und wurde 41 Jahre später nach Pickl der zweite Obmann des Vereins, typischerweise wieder ein Obmann, unter dem der Neubau des Paddlerbootshauses zusammen mit dem Umbau des Anfang der 50er Jahre entstandenen Vereinsheimes begann.

Viel beneidet hatte Herbert Schreiner an Auslandsstarts teilnehmen dürfen. 1952 war er z.B. Olympiateilnehmer in Helsinki. In diesem Jahr 1952 begannen auch Jugendliche, wie Bruno Kerbl und ich, mit dem Wildwasserslalom, der von Karl Hietler forciert wurde. Es war jener Sportzweig, in dem der Verein mit der Weltmeisterin und dem Weltmeister sowie weiteren herausragenden Senioren die großen Vorbilder hatte.

Die Sportstätte am Stausee und der Verein selbst waren für uns Jugendliche das zweite Zuhause, jenes Zentrum, das in der Nachkriegszeit alle Chancen und Anreize bot, die sich ein sportlich eingestellter junger Mensch vorstellen konnte und die er in der Zeit der noch immer herrschenden Not kaum auf einem anderen Gebiet geboten bekam. Offensichtlich durch die Beziehungen des Zentraldirektors Glöckel, offensichtlich durch die Managementqualitäten des Obmanns, wurden Materialien und Gelder angeschafft, von denen andere nur träumen konnten. Es gab zum Beispiel sehr bald einen ungarischen Bootsbauer, der für die Forelle an Ort und Stelle modernste Kajaks baute, wobei wir immer wieder mit Hand anlegen mußten und durften. Meines Wissens waren wir der einzige Verein in Österreich, in dem es selbstverständlich war, daß alle Sportgeräte der Verein stellte, was bis zum heutigen Tage gilt.

Aus der Urzelle Wassersport wurde aber bald ein weiter gefächertes Angebot. Gegen die Absichten des ungeheuer agilen und engagierten Präsidenten Glöckel, baute der Obmann Emil Pickl zwei Tennisplätze auf dem dafür idealen Gelände, gründete 1953 eine zusätzliche Sektion Tennissport und 1955 eine weitere Sektion für die bis dahin in Steyr unorganisierten Eisschützen.

Von den Steyrer-Werken bekam man einen Pachtgrund an der Steyr im Wehrgraben, auf dem heute ein Vereinsheim der Stockschützen und deren Schießanlage steht. Die Segelsektion errichtete bald in Maria Winkling eine Unterkunft und ein Bootshaus und die Wildwassersportler bekamen im damaligen Schönauer Stadl, der leider abgerissen wurde, bei der ehemaligen Neutorbrücke die Möglichkeit, ihre Boote unterzustellen und damit die Nähe stärker fließenden Gewässers für das Training zu nützen. Bis heute bestehen diese Sektionen, die in einer Umstrukturierung 1986 finanziell und organisatorisch selbständig wurden. An späterer Stelle der Broschüre wird über die Sektionen Tennis, Segeln und Stockschützen noch genauer berichtet.

Ich hielt es für notwendig, die frühen Jahre des Vereins ausführlicher zu schildern, weil die Zeitzeugen dafür naturgemäß immer weniger werden. Die Forelle Steyr hat und hatte eine ungeheure Kontinuität, in einer Zeit, in der Vereine kamen und gingen, entstanden und wieder verschwanden. Es gibt nicht viele Vereine, die auf eine 50jährige Geschichte zurückblicken können.Dies liegt unter anderem auch daran, daß es einige Persönlichkeiten wie Emil Pickl, Karl Hietler oder Bruno Kerbl gab, die geradezu ihr Leben dem Verein widmeten. Aber es gäbe viel mehr Namen zu nennen, denn die Forelle besaß und besitzt eine Unzahl von Idealisten, die bis heute der Sache des Vereins mit Arbeit, Rat und Tat und der Aufopferung ihrer Freizeit dienen. Man möge mir nachsehen, daß ich nicht alle erwähnen kann, denen wir anderen Vereinsmitglieder zu großem Dank verpflichtet sind.

Mit Freude kann von den hauptsächlich dem Breitensport gewidmeten Bemühungen und Erfolgen der Sektionen Tennis und Stockschützen berichtet werden, die ihre Anlagen verschönten und erweiterten und ebenso ihre Mitgliederzahl. Auch im Wettbewerb blieben sie in ihren Rahmen und Möglichkeiten erfolgreich. Die Segelsektion konnte Staatsmeistertitel erringen, während es von 1949 an bis zum heutigen Tag kein Jahr gab, in dem nicht Kajak- oder Wildwassersportlerinnen und -sportler der Forelle Steyr bei Weltmeisterschaften, Olympischen Spielen, Staatsmeisterschaften und internationalen Bewerben teilnahmen und erfolgreich waren. Besonders hervorzuheben sind Kurt Preßlmayr und Günther Pfaff. Preßlmayr wurde viermal Weltmeister, ist der einzige, der sowohl Weltmeister im Slalom wie in der Abfahrt wurde und Günther Pfaff verdankt die Forelle neben einem Weltmeistertitel auch die einzige Olympische Medaille. Die dem Textteil angehängte Ehrentafel gibt Auskunft über die vielen anderen, höchst erfolgreichen Wassersportlerinnen und -sportler.

1976 erhielten die Wildwasserpaddler an der Steyr in Kniewas/St. Pankratz ein Trainingszentrum, das nach wie vor zusammen mit dem ATSV Steyr genutzt wird.

1981 erhöhten die Ennskraftwerke die Staninger Staumauer, wodurch der Wasserspiegel um einen Meter stieg. Dadurch wurde das Seglerbootshaus in Maria Winkling überflutet, durch Aufschütten einer Halbinsel konnte Platz geschaffen und darauf ein neues, modernes Seglerhaus gebaut werden.

Schon in den 70er Jahren wurde auch für Nichtmitglieder die Möglichkeit des Campings geschaffen. Zunächst ein Hobby des Obmanns, ist der Platz heute eine für den Verein und die Stadt Steyr, in der es sonst keinen anderen Campingplatz gibt, in einer Zeit des steigenden Fremdenverkehrs von großer Bedeutung. Alle die damit befaßten Bürgermeister erkannten die Notwendigkeit und unterstützten den Verein auch bei diesen Belangen. Hier ist die Stelle, nicht nur der Stadt, sondern auch dem Land Oberösterreich und dem ASVÖ herzlich zu danken, denn ohne ihre tatkräftige finanzielle und ideelle Mithilfe hätte der Verein weder seine jetzigen baulichen Möglichkeiten, noch die Chancen, im Sportbetrieb so erfolgreich zu sein, nützen können. Auch hier gibt es eine 50jährige Kontinuität, die es zu feiern gilt.

So wie Emil Pickl 1949 sagte, daß für die Zukunft gebaut und gearbeitet wird, können auch die jetzt Verantwortlichen in diesem Sinne ihre Arbeit sehen. Der Wunsch der Pioniere, die Jugend solle es schöner haben, ist in Erfüllung gegangen. Wir wurden vom Krieg verschont und konnten unser Sportlerleben in einem Maße gestalten, das man sich in der Gründerzeit überhaupt nicht vorstellen konnte. Die Funktion eines Vereins im allgemeinen und die der Forelle im besonderen hat sich in 50 Jahren naturgemäß stark verändert und gewandelt.

Von einem Verein, der neben der sportlichen auch eine soziale und gesellschaftspolitische Aufgabe erfüllte, hat sich die Forelle, wie die meisten anderen Vereine auch, weiterentwickelt. In einer Zeit der weltweiten Freizeitmöglichkeiten ist es natürlich, daß der Stellenwert des Vereins relativiert wird. Aber es ist auch schmerzlich zu sehen, daß er gerade in einer Epoche, in der es den meisten so gut wie noch nie geht, zum Spielball von Egozentrik mißbraucht werden kann. Daß persönliche Ziele dem Bestand des Vereins vorgezogen werden, anstatt beides ideal zu vereinigen. Viele Sportarten sind in den vergangenen fünf Jahrzehnten Berufe geworden, deren Wohlergehen von der Präsenz in den Medien abhängt. Außer Tennis haben wir derzeit im Verein keine solchen Sparten. In dieser veränderten Situation ist es für die Führung nicht nur schwieriger, sondern sie ist fast noch mehr auf Idealismus angewiesen als früher. Aber: wir haben die Herausforderungen unserer Gegenwart angenommen. Wir sind, wenn auch unter anderen Vorzeichen, als Verein attraktiv geblieben, haben viele Mitglieder, einsatzfreudige Funktionäre, gute Trainer und eine zentrale Sportstätte, die von der Lage her einem kleinen Paradies zwischen grünem Fluß, schattigen Wiesen und heimeligen Uferböschungen ähnlich kommt. Wir haben viel Jugend und ich bin gewiß, daß sie sich i h r e Zukunft bauen wird.

Der Wunsch der heutigen Vereinsleitung muß wohl sein, dieser Jugend den weiteren Bestand für die nächsten 50 Jahre zu sichern. Die Voraussetzungen dafür sind bei der Forelle Steyr in hohem Maß gegeben.

 

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